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    INTERVIEW  
       
  Frage: 21 Jahre SUSI POP: Hat sich das Werk über den Zeitraum von zwei Dekaden verändert?  
  SUSI POP: Nicht wirklich. Einige Vorstellungen haben sich als nicht praktikabel erwiesen und wurden fallen gelassen. Aber im Grunde kam SUSI POP als fertiges Konzept in die Welt. Dem trägt die Bildstrecke des Katalogs Rechnung. Sie folgt keiner Chronologie sondern mischt die verschiedenen Werkgruppen aus unterschiedlichen Zeiten, und siehe da: Alles passt. Motive oder Themen tauchen in verwandelter Form immer wieder auf. Es entsteht ein Rhythmus oder eine Melodie ohne Anfang und Ende. Ein bisschen wie bei Kaufhaus- oder Fahrstuhlmusik.  
  F: Aber am Anfang steht der Hexaeder. Sowohl was die Ausstellungsgeschichte anbelangt, als auch den Katalog  
  SUSI POP: Gäbe es neben der Farbe Magenta und dem Namen SUSI POP als konstituierende Elemente ein weiteres Kennzeichen oder Logo, wäre es sicher der Kubus oder Quader. Er kommt (etwa im Gegensatz zur Kugel) in der Natur nicht vor und ist das Ergebnis reiner Denkleistung und in der Anwendung, als konstruiertes Objekt, universell. Das reicht vom Lehmziegel bis zum Wohnblock, vom Elfenbeinkästchen zum Container. Außerdem bietet die geschlossene Schachtel oder Kiste immer einen Thrill, ein Versprechen. Jedes Kind kennt das von Weihnachten oder vom Geburtstag.  
  F: SUSI POP als "Jack in the Box"?!  
  SUSI POP: Ein Springteufel ist SUSI POP nicht. Es wird keine Überraschungen geben. Die Kiste ist leer, deshalb passt alles rein.  
  F: In der Tat, die Vielfalt der Sujets und Themen ist enorm. Wie vermeidet es SUSI POP, ins Beliebige abzugleiten?  
  SUSI POP: Prinzipiell kennt SUSI POP drei verschiedene "Produktionslinien": Die "Cover-Versionen", die magentafarbenen Remakes bedeutender Kunstwerke aus der ferneren und näheren Kunstgeschichte, die dadurch, meist aus aktuellem Anlass, eine Neubewertung erfahren oder neu zur Diskussion gestellt werden. Es geht dabei also um Revision. Unter der Rubrik People and Politics finden sich bildnerische Kommentare zum Zeitgeschehen. Ausgangsmaterial sind in der Regel (viel gesehene) Medienbilder, die sich durch SUSI POPs Bearbeitung in Artefakte verwandeln. Hier zeigt sich ein gewisses politisches oder soziologisches Interesse. Allerdings enthalten sich die Kunstwerke jedweder Meinung oder Propaganda. Es liegt beim Betrachter, eine "Haltung" zu entwickeln (oder auch nicht). Die dritte Produktionslinie wird durch die Portraits bestimmt. Sie werden im Auftrag produziert. Männer, Frauen, Kinder, Hunde, Paare, ganze Familien. Alles ist möglich. Da zeigt sich SUSI POP sehr geschmeidig, was die Wünsche der Auftraggeber anbelangt.  
  F: Bei den Cover-Versionen spielt der Zyklus "Der Schnurrbart der Ulrike Meinhof" eine besondere Rolle.  
  SUSI POP: Sagen wir, es ist die spektakulärste Arbeit, aus diesem Bereich. Als Gerhard Richter 1995 seinen RAF-Zyklus nach New York ans MOMA verkaufte, sah sich SUSI POP frei, ihre Version davon herzustellen. Knapp 20 Jahre nach dem Tod von Baader, Ensslin und Raspe und knapp 10 Jahre nachdem Richter die dunkle Serie gemalt hatte, schien eine Revision angebracht. Eine Revision der historischen Ereignisse um die RAF und eine Revision von Richters Zugriff auf das Thema. Die Rezeption des Richter-Zyklus' war ziemlich verkitscht. Darauf antwortete SUSI POP mit dem Schnurrbart der Ulrike Meinhof. Dieser 15-teilige magentafarbene Zyklus befindet sich inzwischen, Ironie der Geschichte, in der Sammlung der Nationalgalerie - Hamburger Bahnhof in Berlin. Aber es gibt auch andere Cover-Versionen, die sehr erfolgreich waren und sind. Lucian Freud hat zwei wunderbare Vorlagen geliefert: Seine "Queen" und sein frühes Portrait vom jungen Francis Bacon sind auch in der SUSI POP-Version großartig und fanden schnell Sammler.  
  F: Eine ganze Reihe Bilder zeigen Motive und Daten aus der Finanz- und Wirtschaftswelt.  
  SUSI POP: Ja, die "Charts" reichen in die 1980er Jahre zurück. SUSI POP erkannte schon damals die Schönheit der Index-Kurven, also lange bevor Aktienspekulation zum Volksvergnügen wurde. Auch da gibt es Interessantes zu berichten von den Publikumsreaktionen auf der Frankfurter Kunstmesse. Die Altachtundsechziger standen vor den handgemalten Diagrammen und lobten den antikapitalistischen Impuls, während die Banker entzückt waren darüber, dass ihr Alltag als Sujet der Kunst entdeckt wurde. Alles eine Frage des jeweiligen Standpunktes.  
  F: Noch ein paar Worte zu den Portraits?  
  SUSI POP: Die Auftragsportraits lassen eine bürgerliche Tradition ganz unironisch wieder aufleben. Man verleiht sich selbst und seinen Lieben Bedeutung. Man vergewissert sich seiner selbst. Und die Mischung aus Fotografie, Siebdruck und Malerei gibt dem Ganzen eine zeitgenössische Form. Mit den Portraits erreicht SUSI POP auch ein Publikum, das einen sehr direkten Zugang zur Kunst hat. Um sich einen riesigen George W. an die Wand zu hängen, oder die toten Terroristen der RAF - dazu braucht es eine Menge Sophistication oder Abgebrühtheit. Das rosafarbene Portrait der Töchter aber geht auch, ohne dass man sich was aus Kuben und Konzepten macht.  
  F: Und was hat es mit dem Satz "SUSI POP bin ich" auf sich. Er steht auf manchem Portrait und dient auch als Titel für das Buch.  
  SUSI POP: Da allerdings ist ironische Distanz zu sich selbst gefordert. Andererseits geht es ja nicht um Travestie. "Madame Bovary c'est moi" sagte Flaubert von seiner berühmtesten Romanfigur und beschrieb damit das Verhältnis des Autors zu seiner von ihm erschaffenen Figur. In diesem Sinn ist die Textzeile bei SUSI POP zu lesen - nur andersherum: Die Bovary sagt: "Flaubert bin ich" und eignet sich die Autorenschaft einfach selbst an. Und das ist ganz SUSI POP.  
       
 
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