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    Susi Pop: Künstlerin von Wolfgang Winkler    
 
         
   

Susi Pop - Zur Künstlerbiographie äußert sich einzig ihr Galerist: "Susi Pop ist eine die Kunstwelt durchstreifende, irrlichternde Persona; die Geschichte ihrer Herkunft wäre, allenfalls, erst zu erfinden". Werner Müller von der Galerie ZWINGER weiß, was er sagt, er führt das Archiv der Susi Pop-Werke seit 1986, dem Jahr, als erstmals die Signatur Susi Pop in der Kunstsphäre genannten Öffentlichkeit erschien. Die Susi Pop-Signatur ist kein handschriftliches Kürzel, auch nicht der maschinenerstellte Aufkleber, "label", auf der Rückseite von Bildern, vielmehr ganz die Oberfläche, der 'Wiedererkennungswert'. Um Wiedererkennen dreht sich förmlich zwar alles in der Susi Pop-Kunst (wie um eine Achse oder Nabe, mit diversen Übersetzungen), aber hier ist zunächst nur der Wiedererkennungswert in der Erscheinungsform der allermeisten Susi Pop-'Arbeiten' gemeint. Die Verhältnisse von Wiedererkennen und Identität sind hinlänglich als delikat oder prekär bekannt! Daß das Archiv keine biographischen Angaben enthält, entspricht den archivarischen Fakten, zugleich der Sachlage, die - wie bereits hier - in ein Erörtern verstrickt. Es führt zum Schluß: Susi Pop kann unmöglich geboren sein. Als eben schlichtes Faktum, läßt dieses nicht wenige Betrachter ratlos: Wer . . was ist Susi Pop? - Nach nun 21jährigem Differenzierungsprozeß klar identifizierbar, liegt indessen das Susi Pop-Werk für jeden - nur möglichen - Aufschluß offen. Doch der Wunsch, die Künstlerpersönlichkeit zu kennen, läßt Teile der Kunstöffentlichkeit sehenden Auges das Werk übersehen.

Wenn jenes "Spiel der Kunstbetrachter" die Susi Pop-Künstlerkarriere behindert, so wird das - als etwas von/durch Kunst nicht zu Umgehendes - für die konzeptuell gewählte Konstellation hingenommen: Das Verhältnis von Kunst und Rezeption als unauflösliche Einheit. Mit diesem, Susi Pop prägenden, konzeptuellen Element überschreitet die 'bildende' Susi Pop-Kunst das Reich des Visuellen, bezieht sie ihre Position im Bereich des Sozialen. Darüber aber kann Susi Pop-Kunst den traditionell emphatischen Begriff Werk reaktivieren und auf ihre einzigartige Weise zurückgewinnen. Sind im Schaffensprozeß die (stereotypen Weisen der) Rezeption mit der Position des Künstlers als gleichwertig 'behandelt', ist jede Verwechslung von Künstler, Werk und Künstlersubjekt in der Irre. Und wo die Rezeption dem Werk nicht gegenübersteht, sondern diesem gleichsam vorausgehend dem künstlerischen Subjekt integriert ist, gerät Person und Körper des Künstlers in Desintegration, wird auch der Betrachter nicht zum Künstler, vielmehr steht alles zusammen im Fluß von Prozessen, die aus gutem Grund "Werk" genannt werden.

 

   
    "Cover-Versionen", "Peoples and Politics", "Portraits"    
         
   

Von den Betrachtern gerne unbeachtet, berücksichtigt jede Kunst die gewohnterwartete Rezeption. Der Modernismus erkannte seine Chance, sich zu legitimieren, indem er diesen Sachverhalt offen bekannte; der alleinige Adressat im White Cube war das Auge, der Blick. Die Kunst versuchte, diese Form retinaler Rezeption zu lenken oder, wie oft geschrieben wurde, "zu bearbeiten". Daß sich der Künstler als privilegierter Rezipient im Kunstwerk selbst verwirkliche, hieß es zu früheren Zeiten, als Maler den Chirurgenkittel trugen. Seit den 90ern sollen Diskurse der Kunst zur Bedeutung verhelfen; die Rezeption ist angehalten, sich an jene zu halten. Bei Susi Pop geschieht nichts dergleichen; kein Formen, kein Steuern der Aufnahme von Bildwerken! Im Gegenteil, das Stereotype von Rezeptionsweisen wird wie ein Implantat aufgenommen und ohne Abstoßung unmittelbar wiedergegeben. Ob das Motiv dazu, vergewissernde Bestätigung ist, bleibt ebenso ungewiß wie das, was hier überhaupt ein zu Vergewisserndes wäre. Zu konstatieren ist nur dies: Die bildliche Wiedergabe wirkt wie unverwandt, befremdet auch im Falle des Annehmens wie ein déjà-vu. Eigenes kehrt als Fremdes wieder! Von seltenen Ausnahmen abgesehen, handelt es sich bei den wiedergegebenen Abbildungen um viel gesehene, vielfach mediatisierte. Um ein Verfremden handelt es sich dabei nicht; es ist schlicht eine (weitere) Form von Reproduktion. Jede nicht-technische Reproduktion, beispielsweise die Kunstfälschung, 'übersieht', fügt auch Nicht-Vorhandenes hinzu. Gleiches geschieht auch bei technischen (Re-)Produktionen, wird aber zunehmend übersehen. Das 'Übersehen' der 'Kunst an der Kunst' gehört gegenwärtig zu den Formen einer sich akademisch gebärdenden Rezeption, die der Wirklichkeit Autorität durch des Künstlers 'Stimme' ("welchen Bezug will der Künstler mit seinem Werk ansprechen?") verleihen will. Sie trägt beschleunigend zur Entgrenzung und Auflösung der Kunst bei. Susi Pop (1), hingegen, versucht auf ihre Art, die Kunst und auch die Wirklichkeit (vor der 'Kunst') wiederzugewinnen: Die Kunst dort, wo nie eine war oder wo sie nahezu entschwunden ist, wie bei all zu oft abgebildeten Gemälden der Kunstgeschichte; und die Wirklichkeit dort, wo sie durch Ästhetisierung in Haft genommen ist. Susi Pop, so ließe sich behaupten, schütze die Kunst und die Wirklichkeit auf ihre, in der Kunst wahrscheinlich einzigartigen Weise vor bestimmten Stereotypen, sie zu 'rezipieren'. Dazu nimmt sie deren Formen selbst an. Um eine Sozialarbeit für verelendete Betrachtungsformen handelt es sich nicht, denn Susi Pop als künstlerisches Subjekt verletzt / verlässt, nie 'ihr' konzeptuelles Setting der strikten Trennung von Kunst und Leben.

Jede Kunst folgt, genauer, ist eine Strategie. Zur Kunst-Strategie Susi Pop gehört, dass auch ersichtlich Naives, vermeintlich Dümmliches Grundlage für intelligible künstlerische Gewitztheit (2) wird. Für den künstlerischen Mehrwert braucht Susi Pop die von ihr gewählten Vor- oder Unterlagen nicht zu verschönern, nicht zu korrigieren. Wo andere zeitgenössische Künstler desavouirieren, savouiert Susi Pop. Sie praktiziert eine eigene "Appropriation-Art"; sie exploriert einen sozialen (soziologischen) Realismus ohne Idealismus, Kritik, Mitleid oder Sarkasmus; sie stellt sich über nichts, noch unterwirft sie sich; sie lacht über nichts und niemanden, ist unfähig zynisch zu sein, denn schließlich: Wer wäre sie schon?! - Das Spezielle im Verhältnis Rezeption / Kunst bei Susi Pop ist: Der Künstler steckt im Rezipienten/ der Rezipient in der Kunst: "SUSI POP bin ich". ... und für das künstlerische Subjekt ist es eh egal, wer Künstler, wer Rezipient ist. (3)

   
         
   
1 Vor- und Nachteile von Rezeptions-/Partizipationsweisen bleiben immer strittig.
   
2 Da es Gewitztheit unterläßt, sich zu repräsentieren, schätzt ihr Humor keine Witze.
   
3 Einst galten Künstler als die schlechtesten, die außer Stande waren, ihre eigenen Werke zu rezipieren, darüber nichts auszusagen wußten. Und heute? Möglich, daß jene als die Besten gelten, die wie Stars sich nie über das äußern, was andere an ihnen bewundern könnten. Und wie wäre das zu wissen?!
   
 
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